Text und Fotos: Isabel Reda
Eine Demonstration mitten in Dresden. Hinter Polizeigittern drängen sich Menschen, die Widerstand leisten wollen. Sie hauen auf Topfdeckel, pusten in Trillerpfeifen und stimmen Sprechchöre an. Aus der Mitte des Pulks tönen die Klänge der Rhythms of Resistance. Die Samba-Gruppe fällt nicht nur durch ihre silber-pinke Kleidung auf, sondern vor allem durch die imposanten Trommeln, die ihnen an breiten, gepolsterten Gurten um Nacken und Hüfte hängen. Die dumpfen Klänge haben etwas Deeskalierendes – und aus Toben wird Tanzen.
Eingekesselt durch Polizeikräfte auf der einen und Neonazis auf der anderen Seite stockt der antifaschistische Protest. „Es war super chaotisch und wir mittendrin“, beschreibt Luca die angespannte Situation. Luca ist Mitte zwanzig, die glatten Haare schauen unter einem Minnie-Maus-Cappy hervor. „Als es drohte zu eskalieren, haben wir einen entspannten, fast lustigen Tune gespielt.“ Alle wären davon so irritiert und abgelenkt gewesen, dass sich die Situation schlagartig entschärft habe. „In heiklen Momenten kann Musik ein Ausweg sein“, ergänzt Nori. Ihre richtigen Namen wollen beide aus Sorge vor Anfeindungen geheimhalten.
Die Trommelgruppe aus Dresden existiert seit ungefähr acht Jahren und ist Teil eines transnationalen Netzwerks. Die erste Rhythms of Resistance-Band entstand bereits 2000 in London, von wo aus sich die Idee über den ganzen Erdball verbreitete. Weltweit gibt es heute ungefähr 80 solcher Gruppen. Sie sind vor allem in Europa zu finden: von Finnland über Portugal und Großbritannien bis nach Moldawien. Doch auch in Mexiko und Kanada gibt es Ableger – inspiriert von den Afro-Block-Trommelgruppen, die in den Siebzigern in Brasilien als Bewegung des Widerstandes aus den ärmsten Stadtteilen heraus entstanden.
Später schwappte die Bewegung auch nach Deutschland, als Protestgruppen nach neuen kreativen Demonstrationstaktiken suchten – und bei Clown-Armeen oder den Rhythms of Resistance-Bands fündig wurden. „Sie sollten eine Ergänzung zum schwarzen Block sein“, sagt Luca. Die lokalen Bands sind zwar autonom, sich aber in ihrem Selbstverständnis einig: antihierarchisch, antikapitalistisch, antisexistisch und antirassistisch. Und sie beteiligen sich an „Befreiungskämpfen für eine sozial und ökologisch gerechte Gesellschaft“, heißt es.
Stimmung gegen Pegida
Den Mitgliedern der Bands geht es auch darum, Hierarchien innerhalb der eigenen Gruppe klein zu halten. Nach jeder Probe gibt es ein gemeinsames Plenum. Die Leitung rotiert. Alle Entscheidungen – etwa darüber, auf welcher Demonstration gespielt werden soll – werden im Konsens getroffen. Großen Wert legen die Gruppen auch auf Geschlechtergerechtigkeit: organisiert werden Proben für FLINTA* oder Austauschrunden zu kritischer Männlichkeit.
Ein wesentliches Prinzip bei den Demo-Auftritten der Rhythms of Resistance-Bands ist die „taktische Frivolität“. Das Netzwerk beschreibt diese Strategie als einen Raum, „der in der Kluft zwischen totaler Konformität und gewaltsamer Konfrontation existiert“. Das heißt: Die Gruppen weisen deutlich, aber gewaltfrei auf gesellschaftliche Missstände hin. Dabei würden sie die Grenzen des Protests neu und spielerisch verhandeln wollen, so Luca. Und das Tragen von pinker und silberner Kleidung gehöre für ihn und Nori unbedingt dazu, um mit den gängigen Schönheitsidealen zu brechen. „Wie spielen schon auch mit Geschlechterklischees. Pink und Silber sind außerdem auf keiner Nationalflagge zu finden“, meinen sie schmunzelnd.
Die Strategie der taktischen Frivolität könne je nach Aktion ganz unterschiedlich eingesetzt werden. „Erst einmal sehen wir lustig aus und machen gute Stimmung. Das ist ja auch für Kinder interessant und erzeugt schöne Fotos. Gleichzeitig wissen wir natürlich um unsere Ziele auf den Demonstrationen: akustisch Raum einnehmen und besetzen“, sagt Luca. So hätten sie auch immer wieder lautstark Stimmung gegen die Pegida-Demonstrationen in der sächsischen Landeshauptstadt gemacht. „Wenn wir nicht wollen, dass die ihre Propaganda verbreiten, dann müssen wir laut sein.“
Luca und Nori verstehen ihre Band als Mosaiksteinchen. Für erfolgreichen Protest brauche es schließlich viele Menschen, die sich unterschiedlich einbringen – jene, die in der ersten Reihe einer Demonstration stehen, in der Blockade sitzen oder die Verpflegung organisieren. „Ein guter Protest ist, wenn viele verschiedene kreative Aktionsformen aufeinandertreffen. Das kann eine sehr mächtige Wirkung entfalten“, bemerkt Luca. Die entspannenden Klänge der Rhythms of Resistance-Bands seien also nicht nur bei Konflikten gefragt. Letztlich gehe es um Spaß und eine kreative Möglichkeit, politischen Forderungen Gehör zu verschaffen.
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