Text: Susanne Kailitz — Fotos: Benjamin Jenak
Es gibt vermutlich nur wenige Engagierte, die der Meinung sind, es sollte ihren Einsatz eigentlich gar nicht geben. Fatma Kar gehört dazu. Gemeinsam mit befreundeten und bekannten Menschen hat sie vor ungefähr anderthalb Jahren das Netzwerk Polylux gegründet, das ostdeutsche Initiativen finanziell unterstützen will.
Auf einer Webseite stellen sie Projekte und Vereine vor und werben Fördermitglieder. Polylux gibt deren Mitgliedsbeiträge direkt an die Initiativen weiter. „Manche Projekte brauchen vielleicht 200 Euro pro Monat, um ihre Miete zahlen zu können“, sagt Fatma, „andere benötigen eine höhere Summe, weil sie bestimmte Bauauflagen realisieren müssen oder eine Veranstaltung machen wollen.“
Je nach Bedarf kann die Unterstützung einmalig oder dauerhaft sein. All das sei eigentlich Sache des Staates, findet Fatma: „Jugendlichen Räume zur Verfügung zu stellen und dem Rechtsruck gerade im ländlichen Raum etwas entgegen zu setzen, ist eigentlich eine staatliche Aufgabe. Die wird im Moment aber nicht erfüllt. Und dann können wir entweder dabei zuschauen, das nichts passiert. Oder wir übernehmen Verantwortung und machen selber etwas.“
Seit vier Monaten sammelt das Netzwerk Polylux Geld und wirbt Fördermitglieder, denen die Arbeit der Initiativen monatlich zwischen fünf und 100 Euro wert ist.
Deren Zahl ist in den letzten Tagen noch einmal deutlich nach oben geschnellt, dank einer Spendenkampagne des Aktivisten Moritz Krawinkel. Dieser reagierte gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern auf eine Spende von 100 000 Euro seines Großonkels, einem Berliner Immobilienunternehmer, an die thüringische AfD mit einer eigenen Aktion, oder besser: einer Gegenkampagne.
Ein vom Osten inspirierter Name
Sein Aufruf, die gleiche Summe über ein Crowdfunding zusammenzubringen und für zivilgesellschaftliche Initiativen gegen rechts in Ostdeutschland einzusetzen, erreichte schon in den ersten Tagen tausende Menschen, die dabei helfen wollten. Das Geld soll Polylux nun verteilen. Fatma sagt, sie sei überwältigt davon, wie viele Menschen die Polylux-Ideen teilen: „Das ist einfach nur großartig.“
Aktuell unterstützt das Netzwerk unter anderem einen Jugendclub in Bautzen, ein Wohnprojekt in Cottbus und eine antirassistische Initiative in Eberswalde. Die Arbeit konzentriere sich bewusst auf den Osten Deutschlands, erzählt Fatma, die selbst aus Thüringen kommt, mittlerweile aber in Berlin lebt.
„Wir haben alle eine Ostverbindung – entweder weil wir hier gelebt haben und weggegangen sind oder weil einige von uns in den Osten gezogen sind. Deshalb wissen wir, dass es einen anderen Osten als den gibt, der immer wieder in den Medien als AfD-positiv auftaucht.“ Fatma kenne jene, die sich rechten Menschenfeinden entgegen stellen und auch ihre Nöte: „Die sind uns nicht egal.“
Und so wie das Gerät Polylux, ein in der DDR produzierter Tageslichtprojektor, der fast jedem im Osten geborenen Kind wenigstens aus Erzählungen bekannt ist, mit Licht etwas Kleines vergrößert und sichtbar gemacht habe, arbeitet auch das Netzwerk: „An vielen kleinen Orten gibt es großartige Menschen, Projekte und Ideen. Die müssen also gar nicht erfunden, aber noch viel stärker ins Licht der Öffentlichkeit gerückt werden“, sagt Fatma – und erklärt so ganz nebenbei die Namensfindung für den Verein.
Schon Ende 2018 habe sie angefangen, intensiv darüber nachzudenken, was die beste Möglichkeit für eigenes Engagement sein könnte, erinnert sich die 32-Jährige.
Der erhöhte Druck auf Initiativen
Ein Vorbild sei dann die Idee von „Adopt a Revolution“ gewesen: Eine 2011 in gegründete Initiative syrischer und deutscher Aktiver, die Projekte in Syrien gegen Diktatur und Terror unterstützen – darunter etwa säkulare Schulen, unabhängige Zeitungen und zivile Zentren. Das habe dazu geführt, dass sich inmitten des Krieges „doch ziemlich beständige zivilgesellschaftliche Strukturen gebildet haben, die dem Grauen zum Trotz zivile Räume verteidigen“, sagt der Gründer Elias Perabo.
Um zivilgesellschaftliche Räume geht es auch den Verantwortlichen von Polylux. Auch wenn die Lage im Osten natürlich nicht mit der in Syrien vergleichbar sei: Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern habe rassistische Mobilisierung in den vergangenen Jahren immer wieder viel Erfolg gehabt; die rechten Machtdemonstrationen müssten als ein Angriff auf Menschen und den Versuch, eine offene und demokratische Zivilgesellschaft zu entwickeln, verstanden werden, meinen sie.
Und gleichzeitig setzten die Wahlerfolge und der Einzug ihrer Mitglieder in Parlamente und Gremien viele Engagierte und Initiativen unter Druck, sagt Fatma. „Es wird immer wieder der Versuch unternommen, Projekten der antirassistischen Jugendarbeit den Geldhahn zuzudrehen.“
Aktuellstes Beispiel sei das Treibhaus in Döbeln: Monatelang musste der Verein um die staatliche Förderung bangen, weil die AfD ihm eine linksextremistische Ausrichtung vorgeworfen und eine Kampagne losgetreten hatte, dem Treibhaus keine Steuergelder mehr zur Verfügung zu stellen.
Kooperationen mit Rechtsaußen
Fatma beobachtet das alles mit Sorge – vor allem auch die neuesten Entwicklungen in ihrer alten Heimat Thüringen, wo das Parlament mit den Stimmen von FDP, CDU und AfD überraschend einen Kandidaten der Liberalen zum Ministerpräsidenten gewählt hat, haben ihre Befürchtungen nur bestätigt. „Ich habe damit gerechnet, dass es eine Zusammenarbeit von etablierten Parteien mit der AfD geben wird. Dass ausgerechnet die FDP die erste ist, hat mich zwar überrascht, aber es kommt nicht unerwartet.“
Auch weil sie sehr genau sehen würde, wie der Staat den Aktiven über das Gemeinnützigkeitsrecht die Arbeit alles andere als erleichtere und Vereinen wie etwa Attac und Campact die Gemeinnützigkeit aberkannt hat, hätte sich Polylux dagegen entschieden, für den eigenen Verein die Gemeinnützigkeit anzustreben.
„Wir haben den Eindruck, dass diese Form der Arbeit nicht gewollt ist – für unsere Unabhängigkeit ist es besser, uns nicht den strengen Vorgaben zu unterwerfen. Wir wollen das Geld so einwerben und verwenden können, wie es uns richtig erscheint.“
Trotz des Verzichts auf die Steuerbegünstigung: Ein Kinderspiel war die Gründung von Polylux dennoch nicht. „Wenn ich etwas wirklich unterschätzt habe, dann war das das Ausmaß an Bürokratie“, lacht Fatma, „ich hätte niemals damit gerechnet, wie kompliziert es ist, einen Verein zu gründen.“
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