Text: Alina Bastian — Fotos: Felix Adler
Ramsch, Schund, Plunder, Kram – was andere wegwerfen, ist für Trash Galore der Stoff, aus dem sich Zukunft formt. Das Start-up aus Leipzig verhilft ausrangierten Dingen zu einem Revival: Festival-Ökoklos werden zu einer rosa Tanzbühne, eine alte Matratze verwandelt sich in Fleischstück-Imitate in einer Theaterinszenierung und Lampen aus einer Lagerauflösung sind Teil eines Bühnenbilds. Die Möglichkeiten der Verwendung sind dabei so vielfältig wie die Materialien selbst, die Besuchende von Großveranstaltungen oft nach einmaliger Nutzung wegwerfen. Lagerung oder Recycling würden sich nicht rentieren, so das Gesetz des Marktes. Doch genau an dieser Stelle kommt Trash Galore ins Spiel.
Mit ihren WG-Mitbewohnern Lukas und Fabian arbeitete Mitgründerin Anne-Sophie Müller nach dem Studium jahrelang auf Großevents. Gut sei das schnell verdiente Geld gewesen, erzählt sie, schlecht die omnipräsente Wegwerfmentalität. Denn gerade auf mehrtägigen Fashion-Messen und Lifestyle-Events werde massig individuell gebaut: „Die Fashion-Shops aus Holz reihen sich oft kilometerlang aneinander.“ Und danach lande fast alles im Müll.
Entsetzt von der Verschwendung und im Wissen, wie dringend ebensolches Material in sozialen und kulturellen Initiativen gebraucht wird, fing das Trio an, nach den Events das eigene Auto voll zu packen und ausgewählte Projekte auf eigene Faust auszustatten. Da diese Maßnahme aber weder das Müllproblem der Veranstaltungen restlos löste, noch den enormen Bedarf der Szene abdecken konnte, entstand die Idee der professionellen Vermittlung.
Mithilfe bereits bestehender Kontakte wurde Trash Galore aufgebaut, ein Pilotprojekt durchgeführt, es folgte ein Gründungsstipendium vom Social Impact Lab Leipzig. Alles sah vielversprechend aus. Dann aber kam die Corona-Pandemie und damit die Absage aller Großveranstaltungen. „Das hat uns schon den Gründungsschwung genommen“, sagt Anne-Sophie Müller. „Gleichzeitig aber Zeit für Professionalisierung gegeben.“
Neben einer neuen Webseite und strukturellen Verbesserungen stemmte das Team auch die Gründung des „Materialbuffets“, ein Verein und lokaler Secondhand-Materialmarkt. Über allem steht dabei die Frage: „Was ist tatsächliche Nachhaltigkeit?“ Für Anne-Sophie Müller ist der Begriff nicht nur ein ökologisches, sondern genauso ein soziales Thema. Der Erhalt, die Gestaltung und Förderung sozialer und kultureller Räume sind für sie ein Dreh- und Angelpunkt. Die belieferten Initiativen seien in sozialen und kreativen Bereichen tätig, die Gemeinschaften und die Zivilgesellschaft stärke, beschreibt sie. Trash Galore arbeite das Material Räumen zu, in denen Menschen transformative Arbeit leisten.
Idealismus und Verantwortung
Das Material auszuliefern sei immer der schönste Teil ihrer Arbeit, schildert Müller strahlend. „Die Freude ist unglaublich. Als wäre das ganze Jahr über Weihnachten.“ Diese Momente dienten ihr als Erinnerung, dass die Unterscheidung von Müll und Material eine Frage des Blickwinkels sei: „Eigentlich kann fast alles Material werden.“ Das Team von Trash Galore tut mehr, als Material von einem Ort zum Anderen zu vermitteln. Es setzt auf ganzheitliche Ansätze. Das fängt damit an, dass jene, die Müll produzieren, auch dafür aufkommen. Will heißen: Die Kosten, die durch die Weitervermittlung entstehen, zahlen die Veranstaltenden.
Gleichzeitig vermittelt das Start-up lokal und bedarfsorientiert, gibt in Beratungen Wissen weiter. Sie müssten mit dem „bestehenden System“ arbeiten, auch wenn – oder gerade weil – sie mit diesem „nicht einverstanden“, erklärt Anne-Sophie Müller. Nur meckern helfe nicht, es müsse auch was getan werden. „Es wird immer analoge Veranstaltungen geben. Aber wir müssen aufhören zu verschwenden. Hört auf damit! Oder ruft uns an!“
Mit jedem Auftrag entsteht außerdem ein Corporate Social Responsibility Report für die Unternehmen. Dieser meldet zurück, wie viele Emissionen durch die Materialvermittlung eingespart werden konnten. Aktuell sei hierfür ein umfassender CO2-Rechner in Arbeit. Perspektivisch sollen auch ein Trash Galore-Zertifikat und ein Social Impact-Bericht Teil der Berichte werden. Das könne zusätzlich den sozialen Mehrwert einberechnen, der etwa durch die Wiederverwendung von Materialien in Community-Initiativen geschaffen werde.
Für Anne-Sophie Müller aber sei es die größte Herausforderung, sich selbst fair zu bezahlen und mit den eigenen Ressourcen zu haushalten. Den Job vom Aktivismus zu trennen sei fast unmöglich. Dafür sei das Team ohnehin zu idealistisch: „Gleichzeitig macht es dadurch auch wahnsinnig viel Spaß, weil es eben nicht nur eine Dienstleistung ist, sondern ich den Job als Politikum verstehe, Netzwerke aufbaue, Knackstellen finde und weitergeben kann.“
Nachhaltigkeit und die Vision von Trash Galore zu Ende zu denken, heiße auch, neue Ideen und Inspirationen aufzunehmen, um nicht stehen zu bleiben. Müller und ihr Team wollen sich deshalb immer breiter aufstellen: „Trash consult, Trash build, da ist noch viel möglich!“
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