Text: Jasper von Römer — Fotos: Benjamin Jenak
In einer riesigen, braun gefärbten Pfütze spiegelt sich die gelb angeleuchtete Hausfassade in der Nacht. Vor einer kleinen Tür baumelt ein einsamer Lampion, der in den nächsten Stunden eine Grenze markieren wird. Zwei Menschen in dunkel-grünen Securityjacken mit T-Rex-Logo auf der Brust, treffen letzte Absprachen mit einem Partyveranstalter. „Maximal 30 Sekunden pro Person“, so lautet die Anweisung zu den Eingangskontrollen. Die darauffolgenden Stunden durchsuchen die beiden Securities Jacken, Bauchtaschen, Rucksäcke und stellen freundlich, aber bestimmt die immer gleichen Fragen: „Hast du gefährliche Gegenstände dabei? Was Spitzes? Pfefferspray? Ich taste jetzt deine Jacke ab, ok?“
Vor Eintritt werden die Partygäste noch auf die No-Foto-Policy hingewiesen: Handykameras werden an der Kasse abgeklebt. Außer einem Pizzabrötchen, dessen Einfuhr erst bei den Veranstaltenden erfragt werden muss und einem Typen, der angetrunken wirkt, dann aber doch rein darf, weil eine Freundin verspricht, auf ihn aufzupassen, läuft alles reibungslos.
Auf die Frage, warum die beiden erfahrenen Securities Rebecca und Andi vor zwei Jahren die Sicherheitsfirma United Security gegründet haben, antworten sie kurz, aber deutlich: „Weil wir hier in Dresden sind“. Und in Sachsens Landeshauptstadt würde es so gut wie keine Firma in ihrem Gewerbe geben, die nicht auch Personen mit zumindest rechts-offenen Haltungen in ihren Reihen habe. „Nazi-Vorwürfe“ gab es in den letzten Jahren des Öfteren.
Spätestens seit einer Studie des Antidiskriminierungsbüros Sachsen zu rassistischer Türarbeit in Leipziger Clubs aus dem Jahr 2011, ist das Problem auch für Menschen, die bislang noch nie vor einer Clubtür abgewiesen wurden, nicht mehr zu leugnen. Trotz erfolgreicher Klagen in den vergangenen Jahren, wird nach wie vor in ganz Deutschland von Vorfällen berichtet. Auch auf popkultureller Ebene verleihen Kunstschaffende wie Rapperin Nura ihrer Wut Ausdruck: „Dicka, schaff‘ ich’s in dein Land, dann schaff‘ ich’s auch in deinen Club!“
Männlich dominierte Branche
Rebecca und Andi haben jahrelang für andere Sicherheitsfirmen gearbeitet und immer wieder das fehlende Bewusstsein für Rassismus und Sexismus wahrgenommen. Als die Nachfrage in ihrem Umfeld weiter stieg, beschlossen sie, selbst was aufzuziehen – nur eben unter anderen Vorzeichen. Gebucht würden sie inzwischen auch regelmäßig, trotz fehlender Onlinepräsenz. Das Angebot spreche sich rum, erklären sie. „Wir wollen einfach die Möglichkeit schaffen und dazu beitragen, dass alle Menschen feiern gehen zu können“, beschreibt Rebecca.
Den Anspruch, von der Arbeit an den Clubtüren leben zu können, hat das Team jedoch nicht. Alle arbeiten ausschließlich auf Minijobbasis. Eine vorgeschriebene Berufsausbildung gebe es nicht, lediglich eine schriftliche und mündliche Prüfung, die von der IHK abgenommen wird. Das Zertifikat wird dann alle fünf Jahre durch die zuständigen Ordnungsämter, bei denen die Mitarbeitenden gemeldet sein müssen, geprüft. Je nach Einsatzgebiet werde unterschiedlich intensiv untersucht, ob und welche Vorstrafen bei den Securities vermerkt sind.
Trainings für die Mitarbeitenden organisieren die Verantwortlichen von United Security selbst. Nicht weil eine Sicherheitsfirma dazu verpflichtet wäre, sondern weil sie es für sinnvoll halten. In den Schulungen wird beispielsweise vermittelt, wie mit Körpersprache und Sprechweise körperliche Eingriffe verhindert werden können. United Security hebe sich so von den meisten anderen Sicherheitsunternehmen ab, meint Andi. Denen gehe es meist „nur rein um die Optik, die Kiloanzahl und alles andere fällt hinten runter.“
Durch das Klischee, Sicherheitsleute müssten vor allem körperlich Eindruck schinden, würden gerade Männer denken, dass sie die Voraussetzungen für den Job mitbringen, sagt Rebecca. Zum Team von United Security gehören aktuell zwei Frauen, weil die Bewerber meist männlich sind. Menschen anderer Geschlechter sind den beiden in der Branche gänzlich unbekannt.
Umgang mit sexualisierter Gewalt
Eine männlich dominierte und sexistische Türpolitik beobachtet Rebecca immer dann, wenn sie als Besucherin Securities bei der Arbeit erlebt: „Ich finde es absolut widerlich, wie an der Tür mit Frauen umgegangen wird und ich finde es genauso widerlich, wie Sicherheitsleute damit umgehen, dass mit Frauen so umgegangen wird.“ Nur wenige würden sich auf Partys überhaupt trauen, auf das Sicherheitspersonal zuzugehen, wenn sie etwa einen sexuellen Übergriff erlebt haben, sagt Rebecca. Und denen, die sich trauen, werde das Erlebte meist abgesprochen und die Erfahrungen oft nicht ernst genommen.
Das Team von United Security setzt diesem Bild des aggressiven, breitgebauten Türstehers Menschen entgegen, die zwar nicht kumpelhaft rüberkommen sollen, aber eben emphatisch auftreten und vor allem ein offenes Ohr für Personen haben, denen es auf einer Party nicht gut geht. Grund dafür seien hauptsächlich sexualisierte Gewalt und Übergriffe gegenüber FLINTA*.
Eine Beschwerde sehe meist so aus, dass sich eine Person unwohl fühlt und deshalb eine andere die Party verlassen muss. Die Securities versuchen, die gewaltausübende Person zu identifizieren. Bei komplexen Situationen könne außerdem das Barpersonal oder sonstige Mitarbeitende der Veranstaltung hinzugezogen werden, erzählt Rebecca. Die Security auch tatsächlich anzusprechen, das sei bei vielen mit hohen Hürden verbunden. Wenn sie jemand überspringt, sei das ein deutliches Signal dafür, dass wahrscheinlich etwas vorgefallen ist.
Eine abwehrende oder gar aggressive Reaktion der vermeintlich tatausübenden Person auf die Konfrontation, erhöhe den Verdacht. „Bei Körperverletzungen unterstützen wir Betroffene, indem wir die Cops rufen“, erzählt Andi. Emotionalen Support können die Securities aber nicht leisten. Die Zusammenarbeit mit Awareness-Teams nehmen sie daher als Entlastung wahr.
Kein Zutritt mit Nazi-Kleidung
Manche Leute kommen auch bei diskriminierungskritischen Securities wie Rebecca und Andi erst gar nicht rein. „Wegen weißen Turnschuhen wird aber niemand nach Hause geschickt – der einzige Dresscode ist: keine Nazimarken. Und es gibt Shirts, die überschreiten jedes Maß an Sexismus.“ Ein weiterer Klassiker sind Männergruppen, die sich nach der Anzahl an Frauen im Club erkundigen, sagt Andi. Solchen Situationen begegne er mit verbaler Konfrontation. Je nachdem, wie die Angesprochenen darauf reagieren, dürfen sie rein – oder nicht.
Oberstes Gebot sei es, dass niemand wegen des Aussehens oder aufgrund der absurden Annahme abgewiesen werde, es müssten genauso viele Männer wie Frauen auf einer Party sein. Rebecca stellt sich vor einem möglichen Ausschluss immer wieder dieselbe Frage: „Wird die Person, wie sie sich gibt und spricht, zu einer angenehmen Stimmung beitragen oder nicht?“ So erhofft sich das Team, einen Raum zu schaffen, der so diskriminierungsarm wie möglich ist, in dem sich Menschen freier bewegen und sich sicherer fühlen können.
Eine gelungene Party bedeutet für die beiden an der Tür, dass es keine Beschwerden und keine körperlichen Auseinandersetzungen gab und dass bei allen, die auf der Party arbeiten, gute Stimmung herrscht. Wenn sich Leute beim Verlassen der Party bedanken, „gibt mir das das Gefühl, dass sie zufrieden waren und wir unseren Teil beigetragen haben“, meint Andi.
Zurück in der Warteschlange vor dem Club: Ganz vorne, kurz vor dem leuchtenden Lampion, streicht ein Typ einem anderen über die kurz rasierten Haare. Beide kichern und umarmen sich. Die Stimmung unter den Wartenden ist entspannt und fröhlich. Niemandem wurde der Zutritt verwehrt und es musste auch niemand rausgeschmissen werden. Eine gelungene Party also. Noch bis acht Uhr morgens müssen die Securities durchhalten.
Anonymität mindert Gefahren
Schutz bieten, das ist die Aufgabe einer Securityfirma. Vor Gefahren schützen muss sich das Team aber auch selbst. Eine eigene Webseite gibt es nicht, weil es dann auch eine hinterlegte Adresse bräuchte. Andi und Rebecca sehen sich in doppelter Sicht bedroht: Einerseits, weil sie sich inmitten einer tendenziell rechts-offenen Landschaft an Dresdner Sicherheitsfirmen als politisch links positionieren. Andererseits, weil es sich um ein Milieu handele, „wo Leute unterwegs sind, die wenig Angst davor haben, Regeln und Gesetze zu brechen“, erklärt Andi. Und es gehe dann auch um die Frage, wer wem welche Tür wegnimmt, fügt Rebecca hinzu.
Die meisten Locations würden immer wieder dieselben Sicherheitsdienste engagierten. „Wenn du dort als Veranstaltende auf eine andere Firma bestehst, kann es schnell passieren, dass du in deren Visier gerätst und das kann dann schon auch gefährlich für uns werden.“ Um solche Situationen möglichst zu vermeiden, arbeitet das Team von United Security nur mit Locations zusammen, die aktiv auf sie zugehen. Durch diese Art der Anonymität und den Verzicht auf öffentliche Sichtbarkeit, versuchen Rebecca und Andi unter dem Radar zu bleiben und auch weniger angreifbar zu sein. Mit ihrem Vorgehen haben sie bislang gute Erfahrungen gemacht.
„Wir sind nicht der einzige Lichtblick in einer sonst verlorenen Provinz“, verdeutlicht Andi und erzählt, dass es linke Sicherheitsdienste mittlerweile auch in anderen ostdeutschen Städten wie Jena oder Chemnitz gebe. „Es gibt Veranstaltungsagenturen in Dresden, die die billigsten Sicherheitsfirmen buchen, sich aber gerne mit einem bunten und offenen Image schmücken. Genauso gibt es Kulturschaffende in sehr viel kleineren Städten, die sich abmühen, um Gelder ranzuholen, weil sie was anderes wollen als bisher“, vergleicht Rebecca. Es liege nun aber vor allem an den Veranstaltenden von Partys oder Festen selbst, die passenden Alternativen zu suchen, um in Zukunft für eine andere Türpolitik zu stehen.
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