Die Masken fallen — HoGeSatzbau

Die „Hooligans gegen Satzbau“ sind aus den sozialen Netzwerken nicht wegzudenken. Doch nach acht Jahren löschen sie sich selbst. Wer steckt hinter den Sturmhauben und wie geht es weiter? Zu Besuch bei bekannten Unbekannten.
12. August 2022
11 Minuten Lesezeit
Text: Melanie Skurt — Fotos: Benjamin Jenak

Mittagshitze im Berliner Speckgürtel. Irgendwo zwischen Einfamilienhaussiedlungen und Villenkolonien. Eine ältere Dame schiebt ihren Rollator am Mülleimer einer Bushaltestelle vorbei, der großflächig in Schwarz-Rot-Gold besprüht ist. Ringsum wolkenloser Himmel und menschenleere Gehwege. Vogelzwitschern. In der Totale ruft all das nach Vorstadtklischee. Die Zeit: stehengeblieben; das Leben: aufgeräumt und offensichtlich friedlich.

Auch in der Idylle sind die Abgründe der Gesellschaft zu Hause. Und manchmal nehmen sie direkt mit einem auf dem Sofa Platz. Bei „HoGeSatzbau“ – den „Hooligans gegen Satzbau“ – sogar auf Einladung. Vermutet hätte die anonym online-aktivistische Initiative gegen Rechts in diesem Umfeld wohl kaum jemand. Im Randbezirk mit Reihenhauscharme. 

Gemütlich, aber etwas konservativ sei das schon, meint der Mann, der seit 2014 unter dem Pseudonym Grafikhool vor allem AfD und deutschtümelnden Rechten in die Suppe spuckt. „Aber das passt zu uns. Wir waren nie die erwartbaren Linken, nie dogmatisch. Dafür sind wir zu vielschichtig. Auch als Hooligans.“ Lässig streicht er eine pink gefärbte Strähne aus der Stirn und zieht an der Selbstgedrehten. Für einen Moment denkt er darüber nach, was „die linke Bubble“ an seinem Lebensstil wohl am ehesten kritisieren würde. „Naja, der Kamin im Wohnzimmer ist ein Angriffspunkt“, scherzt er mit Raucherstimme. 

Ironie und Sarkasmus – genau darum haben er und seine Frau, bekannt unter dem Alias Kiki Klugscheißer, eines der bekanntesten Netzprojekte gegen Naziparolen und rechte Hass- und Hetzkampagnen aufgebaut. Sich selbst erklären die „Hooligans gegen Satzbau“ als „Online-Nachhilfeinstitut für meinungsmanipulierende, aufrechtdeutsche Stimmungsmache“. Sie kommentieren satirisch, manchmal hart an der Grenze des politisch korrekten Geschmacks, aber immer antifaschistisch, wie sie sagen. 

Es ist Zeit für etwas Neues 

Der Erfolg ihrer Aktionen lässt sich messen: Über 180 000 Menschen folgen dem Ehepaar in den Vierzigern auf Facebook, rund 50 000 weitere sind es auf Instagram und Twitter. Eher selten trennen sich Menschen einfach so vom gewonnenen Einfluss und brechen mit einer etablierten Marke, die funktioniert. Anders die „Hooligans gegen Satzbau“. Nach acht Jahren in der Anonymität nehmen sie an diesem Sommertag die weißen Sturmhauben ab. 

Angst, dass Rechte vor ihrem Haus auflaufen und Steine ins Fenster werfen könnten, haben sie jetzt nicht mehr. Genau das aber war zu Beginn von „HoGeSatzbau“ der Grund, sich zu maskieren. Trotzdem klebt Bruchschutzfolie an den Fensterscheiben, die zur Straße rausgehen – sicher ist sicher. Denn die „Hools“ schlagen nun ein neues Kapitel auf: Sie geben sich zu erkennen und verkünden gleichzeitig das Ende ihrer Arbeit. Aber warum?

„Es hat sich einfach überlebt“, bricht es aus Matze, eigentlich Matthias, Seeba-Gomille heraus, ganz so, als warte er seit Wochen darauf, seine Gedanken zu teilen. „Als wir 2014 angefangen haben, war das Engagement gegen Hass im Netz neu  – und damit auch unsere Idee.“ Heute würden hingegen so viele andere Menschen witzig und klug gegen Rechts kommentieren, dass es die „Hooligans“ nicht mehr brauche. Auch individuelle Alarmzeichen habe es gegeben: „Irgendwann konnte ich über meine Witze nicht mehr lachen. Wenn du zulange in den Abgrund schaust, färbt das ab. Ich habe bei mir eine immer größere Verbitterung bemerkt.“ Deshalb wolle er künftig etwas anderes für sein Leben.

Während Matze das erzählt, rutscht Frauke Seeba auf der Ikea-Gartenbank nach vorn und zieht die Beine etwas enger an den Körper. Sorge vor Angriffen? Nein, die habe sie nicht. „Es gibt ja so viele Menschen, die sich seit Jahren gegen Nazis engagieren, ohne sich zu maskieren. Und da wir gleichzeitig mit unserer Enttarnung auch das Projekt beenden, sehe ich eigentlich keine Gefahr für uns.“ Auch nicht für die drei gemeinsamen Kinder. Die Großen seien stolz, dass sie jetzt endlich darüber sprechen dürfen. 

Und ganz persönlich scheint Frauke fast etwas erleichtert: „Es hat ehrlich gesagt ganz zum Schluss keinen Spaß mehr gemacht. Wir sind einfach damit durch. Und nun kommt etwas Neues.“ Vielleicht hofft sie mit dem Schlussstrich auch auf mehr Gleichgewicht im Privaten. 

Mit dem Rücken zur Wand

Immer wieder gab es Zeiten, in denen Matze mit „schweren depressiven Phasen zu kämpfen hatte“, erzählt sie. Oftmals, wenn er in einem emotionalen Hoch mit einem Beitrag oder Kommentar übers Ziel hinausschoss oder missverstanden wurde. Das kam schon mal vor, Matze ist bipolar. Dann überrollten nicht enden wollende Shitstorms die beiden. „Ich habe ihm dann immer mal für zwei Wochen Social-Media-Verbot erteilt und versucht, ein bisschen aufzuräumen.“ Rechtfertigungsdruck. Es ist ein Wort, das im Gespräch häufiger fällt. Rechtfertigungsdruck vor allem auch gegenüber linken Kreisen. 

„Heute kannst du kaum noch einen Witz machen, ohne dass er komplett seziert wird. Nicht nur von denen, die du erwischen willst. Es kommt noch die links-linke Bubble und die feministische Bubble und was weiß ich wer noch. Und auf einmal stehst du ständig mit dem Rücken an der Wand und sollst dich rechtfertigen“, sagt Matze und nennt sich selbst einen „emotionalen Wackelpudding“. Auch Canceling gehöre zu diesen Erfahrungen. 

Erst vor Kurzem habe die Rosa-Luxemburg-Stiftung eine Dokumentation zu „100 Jahre Antifaschismus“ in Auftrag gegeben. „Der Beitrag soll junge Menschen in Antifa-Gruppen über Geschichte und Politik informieren und dabei helfen, den Extremismusvorwürfen gegenüber antifaschistischer Organisierung entgegenzutreten“, erläutert Frauke das Projekt. Die „Hools“ wurden für den Themenblock „Praxis und Vielfalt antifaschistischer Arbeit“ neben Akteuren wie dem Lotta Magazin und der Band Akne Kid Joe interviewt. „Aus dem Film wurden wir am Ende aber rausgeschnitten, weil das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz) nicht mit uns darin vorkommen wollte.“ 

Gesprächsangebote gegenüber dem apabiz seien abgelehnt worden; „keine Ahnung, was das Problem war“. Absurd finden beide, dass hier ein einzelner Akteur die Deutungshoheit erhielt, Antifaschismus zu definieren – und das, obwohl Vielfalt abgebildet werden sollte. 

Die Demaskierung der AfD

Die Kritik falle oft ähnlich aus, meint Frauke. Einer der Vorwürfe: Die „Hooligans“ würden AfD-Positionen ohne Einordnung reproduzieren und so Debatten weiter anheizen statt Dialog zu fördern. Die Aktion „Wir werden sie jagen“ zeigt das beispielhaft. Dafür hat Matze am Rechner Zitate von AfD-Mitgliedern im Wahlplakat-Stil nachgebaut, sodass sie optisch kaum von der Realität zu unterscheiden sind. Auf den flüchtigen Blick soll ein Moment der Irritation folgen.

Hundertfach wurden die Plakate von Privatpersonen gedownloaded, gedruckt und in ganz Deutschland aufgehängt. Zitiert wird etwa AfD-Flügelchef Björn Höcke: „Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt.“ Oder Petr Bystron, AfD-Mitglied im Bundestag: „Es gibt Frauen, die sollten lieber an der Stange tanzen, als Politik zu machen.“ 

Nicht immer sei sofort verstanden worden, dass es sich dabei nicht um offizielle Plakate, sondern Satire handele. „Die Forderung nach Versachlichung begleitet uns seit Jahren. Das ist aber nie unsere Aufgabe gewesen. Wir machen Satire. Das heißt, wir weisen auf bitterböse Realitäten hin und demaskieren die AfD unter anderem, indem wir ihre Methoden benutzen“, erklärt Frauke. Der Appell, der von solchen Aktionen ausgehe: „Nimm die Wirklichkeit wahr und mach was aus der Information. Recherchiere weiter, dulde das nicht.“ 

Die Erziehungswissenschaftlerin weiß, welche Dynamiken sich in sozialen Netzwerken entfalten und wie Emotionalisierung wirkt. Hauptberuflich arbeitet sie in onlinepädagogischen Projekten, klärt unter anderem über Hatespeech und den Umgang mit Fake News auf. Die „Hools“ habe sie bei Bewerbungsgesprächen ab und zu als Qualifikation herangezogen. Schließlich brachte sie sich hier Social-Media-Management in der besten Form selbst bei. 

Unangepasst und unkorrekt

2014 ist das Jahr, in dem Frauke zum ersten Mal als Seiten-Admina auf Facebook gegen menschenverachtende Äußerungen und Nazi-Propaganda aktiv wird. Sie reagiert auf die rechte Bewegung „Hooligans gegen Salafisten“ und gründet mit ihrem Mann die „Hooligans gegen Satzbau“. „Ich bin wie Matze im Punk sozialisiert, mochte aber nie die Hierarchien und elitär anmutende Distanziertheit der Kleinstadt-Antifa“. Aufgewachsen zwischen Hannover und Göttingen habe sie schon als Schülerin gern debattiert und ihre Meinung vertreten. Als Wortführerin habe sie sich dennoch nicht gesehen, sie ging lieber das Risiko ein, allein dazustehen, als sich Gruppenzwängen zu beugen.

„Ich hatte als Kind schon Probleme in der Polonaise mitzulaufen und finde es heute noch schrecklich, wenn Leute alle das Gleiche tun.“ Anzuecken schrecke sie nicht, dafür sei sie zu sicher in ihrer Haltung und tue ausschließlich, wovon sie überzeugt sei. 

Die Biografie des Paares verläuft in ähnlichen subkulturellen Strukturen. Nur wächst Frauke im Westen und Matze im sächsischen Görlitz auf. Schon mit 14 Jahren zieht er von zu Hause aus, beschreibt sich als aufmüpfig und frech – ein kleiner Junge mit großer Klappe, der die Musik der Ärzte als Erweckungserlebnis feiert. „Meine vorlaute Art war damals nicht immer von Vorteil, jetzt aber schon“, grinst er. Auch er sei lieber für sich gewesen, habe in keine Szene richtig gepasst. „Für die Nazis war ich eine doofe Zecke, für die Antifa politisch zu unkorrekt. Im linken Jugendklub hatte ich Hausverbot, also gehörte ich nirgendwo hin.“ Heute arbeitet Matze freiberuflich als Kommunikationsdesigner. Vor Jahren hatte er die Idee zur Initiative „Pfand gehört daneben“ und ist mit diesem Projekt auch aktuell noch beschäftigt. 

Seine unangepasste Art und der oft grenzüberschreitende Humor hat die „Hools“ hin und wieder in Bedrängnis gebracht. Wobei auch Frauke stets für klare Kante und Worte ist. Kritik an ihrer Arbeit spießen die beiden oft selbstironisch auf. So ziert den Twitter-Account die Überschrift: „Die sind ja gar nicht linksradikal“, einer ihrer Claims lautet: „Sometimes politically incorrect. Always antifascist.“ Es sollte kein Problem sein, auch mal einen schlechten Witz zu machen, meint Matze. „Ein Witz bleibt ein Witz. Er sollte im Kontext betrachtet werden. Das bedeutet, zu sehen, was machen die ,Hooligans‘ eigentlich und wofür stehen sie.“

Streit um Scholl und Lübcke 

Einen Streit um gute und schlechte Satire löste etwa ein Social-Media-Post um Sophie Scholl aus. Auf einem historischen Foto der Widerstandskämpferin im Nationalsozialismus steht die Bildunterzeile: „Ja, hallo, ich bin Sophie (21) aus Forchtenberg und ich fühle mich wie Ji…Je…Jana aus Kassel.“ Angespielt wird auf eine Querdenken-Rednerin, die sich im November 2020 auf der Bühne mit Sophie Scholl verglich. Moritz Hürtgen, Chefredakteur des Satiremagazins Titanic, kritisierte „HoGeSatzbau“ für die Aktion und erklärte via Twitter: „Gut, dass sich Nazi-Jana in Kassel auf die Bühne getraut hat, denn jetzt können irgendwelche behämmerten Aktionskünstler Sophie Scholl endgültig zu einem Jux-Meme machen.“ Matze kontert, sein Witz sollte gerade die Absurdität des Vergleichs vor Augen führen. 

Emotionale Reaktionen ernteten die „Hooligans gegen Satzbau“ zudem für eine Aktion, die der CDU den Spiegel vorhalten sollte. Auf ein selbstdesigntes Plakat montierten sie im Zuge des Bundestagswahlkampfs 2021 ein Foto Walter Lübckes. Der CDU-Politiker aus Kassel wurde 2019 auf seiner Terrasse von einem Rechtsextremisten ermordetet. Darunter ist zu lesen: „Gemeinsam einen Linksrutsch verhindern“. Während kritische Stimmen erklärten, hier würde pietätlos mit einem Verstorbenen umgegangen, hielten Mitstreitende mit Sätzen wie diesen entgegen: „Wenn Satire wehtut, erfüllt sie ihren Zweck. Das Bild schmerzt.“ 

Das findet auch Frauke. „Ja, es ist hart und bitter. Aber vor allem weil CDU und CSU selbst mit diesem Spruch geworben haben. Wir haben uns gefragt, warum empört sich denn niemand darüber.“ Und Matze ergänzt: „Wir haben auch nichts in Zusammenhang gebracht, was nicht zusammengehört, sondern nur das, was viele nicht zusammen sehen wollen.“ So viel zur bitterbösen Realität. Im Grunde sei jede Aktion ein Plädoyer, den Kopf einzuschalten, Inhalte im Netz zu hinterfragen und Gegenrede zu starten. Das regen sie mit lehrreichen Coups an.

2017 legten sie die deutsche Presselandschaft herein, in dem sie nach „Vorbild“ der rechten US-Nachrichtenplattform „Breitbard News Network“ den Start des Pendants „Breitbart News Deutschland“ ankündigten. Etliche Medien berichteten, ohne den Wahrheitsgehalt dieser Information zu prüfen. Doch nicht nur das sei erschreckend gewesen: Auch dass die Fake-Facebook-Seite innerhalb kürzester Zeit über 1 000 Likes generierte, zeige, wie gut rechtspopulistische und -extreme Stimmungsmache im Netz funktioniere, so Frauke. 

Im Visier von Attila Hildmann

Auf ihrer Hitliste aus acht Jahren steht auch Attila Hildmann. Der Verschwörungstheoretiker, Antisemit und rechtsextreme Influencer setzte 2020 ein Kopfgeld auf „HoGeSatzbau“ aus – so wie zuvor auf Menschen in der Politik, Wissenschaft und aktivistische Personen. Hildmann stellte 1 000 Euro für Hinweise in Aussicht, die helfen würden, die Identitäten von Grafikhool und Kiki Klugscheißer zu enttarnen. „Da wollten wir gern helfen“, kommentiert Matze ironisch. 

Zunächst manipulierte er mit Photoshop eine Fotografie von zwei bekannten Gesichtern des rechtsextremen Spektrums. Mit Hilfe des Hackerkollektivs Anonymus verbreiteten er und seine Frau dann das Bild mit zusätzlichen, mutmaßlichen Indizien. Und Hildmann? Der teilte die Falschinformationen auf seinen Kanälen und feierte seinen vermeintlichen Triumph. Nächte hätten sie damals durchtelefoniert und gearbeitet. Sobald die Kinder im Bett waren, stand nur noch diese Aktion im Fokus. Über den Prank wurde immens berichtet, „was sehr bewegend war – und vor allem auch sehr witzig“, blickt Frauke zurück. „Hildmann hatten seine Wahnvorstellungen und Überzeugungen so fest im Griff, dass er komplett vergaß, die Infos zu checken, was übrigens ein Leichtes gewesen wäre. Schon sehr bezeichnend irgendwie.“

Matze schaut sie an und beide schweigen. „Naja“, gibt er zu, „ein Tränchen muss ich mir wohl doch verdrücken.“ Zu sehen, zu welcher Größe sich „HoGeSatzbau“ durch ehrenamtliches Engagement entwickelt hat, mache schon stolz. All das haben sie meist zu zweit gestemmt – neben Kids und Jobs. Für kurze Zeit unterstützte sie in den Anfängen auch Schauspielerin Selda Kaya. Die gemeinsame Arbeit hatte dabei auch auf andere Initiativen echte Effekte. Mehr als 50 000 Euro spendeten die „Hools“ nach eigener Aussage für zivilgesellschaftliche Projekte wie Exit, Sea-Watch oder den Verein Enough is Enough. Letzterer erhielt zum Beispiel das gesamte Preisgeld, das „HoGeSatzbau“ beim Smart Hero Award 2016 gewann. 

Ansonsten generieren die „Hools“ Gelder aus dem Verkauf von Merchandise. Was sie als notwendigen finanziellen Support für sich und andere Bewegungen gegen Rechts verstehen, um unter anderem etwas für anwaltliche Unterstützung bei Anzeigen, Verfahren und größere Aktionen zurückzulegen, bezeichnen manche jedoch als „Kommerzialisierung des Antifaschismus“, sagt Frauke und zuckt mit den Schultern. 

Aktivismus-Mitmach-Bibel

Aufhören wird das Paar trotz all der Kritik, vor allem aber auch Erfolge nicht. Derzeit arbeiten sie wieder an einem Buch. Nach der Korrekturschrift „Triumph des Wissens“, in dem sie 2018 die Rechtschreibung und Grammatik rechter Social-Media-Beiträge korrigierten, und dem Kinderbuch „Käpt*in Rakete“ wird es das erste sein, das unter ihren Klarnamen erscheint. „Es geht um Aktivismus. Viele Leute haben uns immer wieder gefragt: ‚Was kann ich selbst machen, ich weiß nicht, wie ich anfangen soll? Oder ,Was kann ich denn schon bewirken?’“ 

Mit dem Buch wollen sie Antworten geben und mit ihrem Outing zeigen: „Wenn wir das können, kannst du das auch!“ Die viel geforderte Kontextualisierung liefern die „Hools“ diesmal mit. Sachkapitel klären rund um on- und offline Verschwörungsstrategien sowie Methoden von Rechtspopulismus und -extremismus, antifaschistisches Engagement und Factchecking auf. Dabei ist Frauke für den Inhalt verantwortlich, Matze illustriert die „Antifaschistische Mitmach-Bibel“. 

Für das neue Herzensprojekt fallen die Masken: Erkennbar zu sein, sei durchaus eine strategische Überlegung, um die eigene Seriosität zu erhöhen. „Wir wollen, dass das Buch ernstgenommen und gelesen wird. Das funktioniert besser, wenn wir nicht mehr als ironische Kunstfiguren mit Maske auftreten“, sagt Matze. Dabei haben gerade die Sturmhauben auch zum Erfolg der „Hools“ beigetragen. Frauke erklärt das etwas genauer. „Die Frage, wer dahinter steckt, ist natürlich interessant und erregt Aufmerksamkeit.“ 

Für die Rechten sei es so oft darum gegangen, „HoGeSatzbau“ zu outen, während Fans sie schützen wollten. „Damit wir weitermachen – und sie mit uns. Aber ich glaube, das können sie jetzt auch ganz gut alleine. Sie brauchen uns dafür nicht mehr.“ Ihr werde die Maske sogar fehlen. Vor allem bei öffentlichen Auftritten. „Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt.“ Sie wolle zwar viel bewirken, brauche dabei aber keinen Personenkult um sich selbst. Anders Matze, der als Sänger des Oi-Punk-Projekts „Menschabstinenz“ ohnehin das Rampenlicht sucht. 

Um die persönliche Bühne sei es ihnen aber nie gegangen. Ihr Ziel: Menschen den Rücken zu stärken, die Position gegen Rechts beziehen – egal, ob aktiv oder passiv. „Was wir erreicht haben, hören wir jeden Tag“, zieht Frauke Bilanz. „Viele Leute schreiben, wir seien der einzige Grund, warum sie überhaupt in sozialen Netzwerken aktiv seien, warum sie Counterspeech in Kommentarspalten betreiben oder auch zu Hause, mit der Nachbar- oder Kollegschaft diskutieren, wenn fragwürdige Meinungen geäußert werden.“

Dass sie diesen Funken bei den Leuten entfacht haben, mache sie glücklich. Mit dem neuen Buch wollen die „Hooligans gegen Satzbau“ entstandenes Engagement auf ein neues Level heben. Oder besser gesagt: Frauke Seeba und Matze Seeba-Gomille, die Gesichter hinter einem aufrüttelnden Anti-Rechts-Initiative, die in diesem Moment schon Geschichte ist.

Veto widmet den Mutigen und Engagierten im Land ein eigenes Magazin – 24/7 online und viermal im Jahr als gedrucktes (!) Heft: www.veto-mag.de/gedruckt

Weiterlesen

All Cops Are Busted — Jerry und Tom

Auf kritische Fake-Werbeplakate im öffentlichen Raum reagiert die Polizei immer mehr mit strafrechtlichen Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen. Veto hat ein Adbusting-Kollektiv exklusiv bei seinem neuesten Coup mitten in Berlin begleitet.

Blaxpertise — Kolumne Malonda

Alle wollen immer links sein – aber wer will (noch) links wählen? Wie das „Bündnis Sarah Wagenknecht“ eine ohnehin schon unruhige Parteienlandschaft in Deutschland weiter durcheinander bringt und wie es soweit kommen konnte.

Hinterland — Ocean Hale

Während Anti-AfD-Proteste in Großstädten die Berichte dominieren, lässt sich das Motto „Wir sind mehr“ im ländlichen Sachsen kaum verwirklichen. Hier braucht es einen kontinuierlichen Einsatz, der an die Substanz geht. Unterwegs in Döbeln.

VEranTwOrtung — Kolumne Sookee

Links-Sein ist und bleibt ein ewiger Balanceakt zwischen theoretischen Entwürfen und der reellen Machbarkeit in einer gesellschaftlichen Umgebung, die einem abspricht den Ernst des Lebens verstanden zu haben.

Kleine Schritte — Mandy Vater

Wenn Gegenrede ausbleibt, verschieben sich die Grenzen des Sagbaren. Immer weiter nach rechts. Auf dem Land in Sachsen-Anhalt macht sich Mandy Vater dafür stark, dass Rassismus nicht länger unkommentiert bleibt.

Journalismus mit Haltung

Mit Veto geben wir Aktivismus eine mediale Bühne und stellen all jene vor, die für Veränderung etwas riskieren. Veto ist die Stimme der unzähligen Engagierten im Land und macht sichtbar, was sie täglich leisten. Sie helfen überall dort, wo Menschen in Not sind, sie greifen ein, wenn andere ausgegrenzt werden und sie suchen nach Lösungen für gesellschaftliche Probleme.

Mediale Aufmerksamkeit aber bekommen ihre mutigen Ideen nur selten. Das muss sich ändern – und Aktivismus endlich raus aus der Nische! Die Aktiven brauchen vor eine starke Stimme und Wertschätzung für ihre Arbeit. Mit Veto machen wir Engagement sichtbar und zeigen denen, die finden, dass es nun höchste Zeit ist, sich einzumischen, wie es gehen kann. Unsere Botschaft an alle Gleichgesinnten da draußen: Ihr seid nicht allein!

Mit Print gescheitert?

Veto gab es bis Sommer 2022 auch als gedrucktes Magazin. Doch die extrem gestiegenen Preise für Papier, Druck und Vertrieb wurden für uns zur unternehmerischen Herausforderung. Gleichzeitig bekamen wir Nachrichten aus der Community, dass sich viele ein Abo nicht mehr leisten können. Wir waren also gezwungen, das gedruckte Magazin nach insgesamt zehn Ausgaben (vorerst) einzustellen.

Aber – und das ist entscheidend: Es ist keinesfalls das Ende von Veto, sondern der Beginn von etwas Neuem. Denn in Zeiten multipler Krisen wird Veto dringend gebraucht. Um Hoffnung zu geben, zu verbinden, zu empowern und zu motivieren. Deshalb machen wir alle Recherchen und Porträts kostenfrei zugänglich. Denn: Der Zugang zu Informationen über Aktivismus und Engagement darf keinesfalls davon abhängen, was am Ende des Monats übrig ist.

Transparenzhinweis

Veto wird anteilig gefördert von der Schöpflin Stiftung, dem GLS Treuhand e.V., dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung und der Bürgerstiftung Dresden. Bis 2022 war auch die ZEIT STIFTUNG BUCERIUS beteiligt. Der Aufbau der Webseite wurden realisiert durch eine Förderung der Amadeu Antonio Stiftung (2019) und des Förderfonds Demokratie (2020).

Du kannst uns mit einer Spende unterstützen: DE50 4306 0967 1305 6302 00 oder via PayPal.